Interview mit Larissa Bertonasco

Interview mit Larissa Bertonasco

15.10.2013 | 2013 | Interview | IO-News | Personen und Meinungen

Larissa Bertonasco illustriert für Buch und Editorial. Zeit für freie Projekte nimmt sie sich auch: Vom ersten Heft an ist sie beim SPRING-Magazin, dem Heft der Zeichnerinnen, dabei.

Gleich deine Diplomarbeit an der HAW Hamburg, ein illustriertes Kochbuch mit Rezepten deiner italienischen Großmutter, wurde ein richtiger Bestseller. War der Einstieg in die Selbständigkeit für dich leicht?

Ich hatte großes Glück, dass meine Diplomarbeit gleich veröffentlicht wurde und schnell so viel positive Beachtung fand – dadurch wurde mir der Einstieg in meine Arbeit als selbständige Illustratorin leicht gemacht, denn ich bekam von Anfang an genug Aufträge und Jobs mit denen ich mich und meine damals 5-jährige Tochter finanzieren konnte. Für mich war es dann wichtig und spannend erstmal vielseitige Erfahrungen auf dem realen Illustrationsarbeitsmarkt sammeln zu können, von dem ich während des Studiums leider wenig mitbekommen hatte. So lernte ich neben mehr Vertrauen und Routine in meiner künstlerischen Arbeit endlich so etwas wie Nutzungsrechte, Honorarverhandlungen, Steuererklärung, KSK, VG BildKunst – und mein Talent als Geschäftsfrau kennen, von dem ich vorher noch nichts ahnte.

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War das nur positiv, oder hatte der plötzliche Erfolg auch Nachteile?

Es war schon ein tolles Gefühl gleich so viel Anerkennung zu bekommen. Wenn man Illustration studiert ist es ja nicht unbedingt selbstverständlich damit mal seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Aber wenn man ein Buch veröffentlicht hat, das erfolgreich ist und welches dann viele kennen, landet man schnell in einer Schublade – ich war dann eben “Die mit dem Kochbuch” und werde immernoch gerne für Themen rund um Essen oder Italien angefragt. Aber Gott sei Dank ist mein Spektrum an Aufträgen mittlerweile breit gefächert.

Du arbeitest in unterschiedlichen Bereichen der Illustration. Welche Art Aufträge sind dir am liebsten?

Ich mag die Mischung gerne, auch finanziell muss es eine Mischkalkulation sein. Kleine feine Jobs, die nicht so gut bezahlt sind, einem dafür aber mehr künstlerische Freiheit lassen und Spaß machen, und dann eben auch solche, die gut bezahlt sind, aber für die man sich evtl. etwas mehr dem Kundenwunsch unterordnen muss. Und alles Mögliche dazwischen.
Bei mir stehen da auf der einen Seite freie Projekte wie zum Beispiel SPRING, die Künstlerinnengruppe mit der ich seit 2004 einmal jährlich ein Heft herausbringe und Ausstellungen mache, auf der anderen Jobs für Zeitschriften, wo es einem eher sehr schnell von der Hand gehen muss, sowie Buchprojekte, bei denen man sich länger mit einem Thema beschäftigen kann. Eigentlich finde ich Bücher zu machen am schönsten. Sie sind langlebiger und stehen noch nach Jahren im Regal, während Zeitschriften kurze Zeit später meist im Altpapier landen. Meine liebsten Kunden sind die, welche meine Arbeit einfach mögen, mich deshalb buchen und mir beim Illustrieren freie Hand lassen. Dabei entstehen oft die besten Illustrationen, denn das beflügelt viel mehr als wenn einem jemand dauernd reinredet. Der schärfste Kritiker meiner Arbeit bin sowieso ich selber.

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Woran arbeitest du im Moment?

Ich habe gerade 3 Wochen als Dozentin bei der Hamburger Sommerakademie PENTIMENT hinter mir und anschließend gleich unsere Springausstellung zum 10. Jubiläumsheft “ABC of tragedy” mit auf die Beine gestellt. Jetzt muss erstmal vieles abgearbeitet werden was liegengeblieben ist. Im nächsten Herbst erscheint im INSEL Verlag ein Buch  mit illustrationen zu “Carmen”, mit denen ich bald anfangen werde. Ausserdem habe ich gerade ein Stipendium bekommen, mit welchem ich ein schon lange geplantes Buchprojekt anpacken möchte, bei dem ich wieder eigene Texte schreibe. Mehr will ich dazu noch nicht verraten …

Als ihr 2004 das erste SPRING-Magazin gemacht habt war von Comics und Graphic Novels in den Feuilletons deutscher Tageszeitungen noch kaum die Rede. Was hat sich seitdem geändert?

In Spring ist uns die Mischung zwischen Zeichnerinnen aus den unterschiedlichen Bereichen – freie Kunst, Comic und Illustration – wichtig.
Ich selbst bin ja eigentlich keine klassische Comiczeichnerin, aber ich bekomme natürlich trotzdem mit, dass sich in diesem Bereich in den letzten Jahren viel bewegt hat und viele Verlage Graphic Novels mit in ihr Programm aufgenommen haben.
Gerade ist das “Comic Manifest” veröffentlicht worden, in dem eine Gleichstellung von Comic zu anderen Künsten, gerade auch im Hinblick auf Möglichkeiten Förderung zu bekommen, gefordert wird. Das halte ich für sehr wichtig.

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Beim SPRING-Magazin zeichnen ausschließlich Frauen – warum?

Am Anfang stand bei den Gründerinnen Claire Lenkova und Claudia Ahlering der Wunsch im Vordergrund, Frauen in der männerdominierten Comicszene eine eigene Plattform zu geben. Mittlerweile hat sich die Zusammenarbeit unter Frauen einfach bewährt. Es gibt immernoch so viele tolle Zeichnerinnen, da ist das Potential noch lange nicht ausgeschöpft. Jede von uns hat da evtl. wieder eine eigene Position, aber wir sind sind keinesfalls ideologische Emanzen. Ich denke, wir sind selbstverständlich selbstbewusste, selbständig arbeitende, unabhängige Frauen, ohne zum Beispiel Männer im Hintergrund, die uns finanzieren. Ein großer Teil von uns hat Kinder und schafft es dennoch mit viel Leidenschaft bei SPRING dabei zu sein. Mir ist wichtig zu zeigen, dass das gehen kann. Darauf bin ich stolz, denn es macht einen stark und ich hoffe, wir sind darin für viele junge Frauen und Künstlerinnen ein Vorbild. Es ist wichtig, sich nicht von vorgefertigten Rollenbildern und Mutterklischees verunsichern zu lassen sondern seinen eigenen Weg zu gehen.

Kannst du erzählen wie die Zusammenarbeit an einem Heft abläuft? Wie trefft ihr Entscheidungen?

Bei uns läuft alles basisdemokratisch ab – wichtige Entscheidungen werden zwischen allen abgestimmt, meist per Mail oder Doodle. Zum Beispiel das Thema für das neue Heft oder wenn wir neue Zeichnerinnen einladen. Aber wir haben mit den Jahren dazugelernt und gemerkt, dass es Sinn macht und effektiver ist gewisse Aufgaben auszukoppelt und dafür die Verantwortung einer Einzelnen oder einem Team zu geben.
Fast jede Zeichnerin hat einen festen Bereich für den sie alleine verantwortlich ist wie Webseite, Finanzen, Presse, Vertrieb, Anzeigen, usw..

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Trotz der großen Beachtung, die euer Heft findet, verdient ihr damit wahrscheinlich nicht euer Geld, oder?

Nein, wir zahlen von den Einnahmen durch Heftverkauf und unsere selbstgestalteten Anzeigen die Druckkosten und weitere Kosten, wie Reisekosten, Gage für die Band, die bei der Ausstellungseröffnung spielt und all sowas. Alle Einnahmen fließen in das Projekt zurück und werden für das nächste Heft und weitere Aktionen eingesetzt. Dadurch sind wir unabhängig und können uns völlig frei austoben. Alle von uns arbeiten und verdienen ihr Geld als professionelle Illustratorinnen, Künstlerinnen, (Comic-)Zeichnerinnen.

Was lässt euch trotzdem mit soviel Begeisterung dabei bleiben?

Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß gemeinsam das Heft, unsere Ausstellungen und Aktionen auf die Beine zu stellen. Wir sind eine tolle, buntgemischte Gruppe von Frauen ganz unterschiedlichen Alters und verstehen uns gut – da ist viel Schwung und Tatendrang in der Luft und das gibt wiederum auch für andere Bereiche Energie und Inspiration. Es ist künstlerisch und menschlich bereichernd in so ein Netzwerk eingebunden zu sein.
Ausserdem bekommen wir immer mehr Anerkennung, im Herbst hat uns das Goetheinstitut nach Paris eingeladen, wo wir eine Ausstellung haben werden, eine Zeichenperformance vorführen und bei dem Fanzine Festival dabei sind. Für nächstes Jahr stehen Einladungen nach Rumänien, Palermo und Delhi auf dem Plan. Das ist natürlich spannend und macht einfach Spaß!

Kaum eine der SPRING-Zeichnerinnen ist Mitglied in der Illustratoren Organisation. Klar – das kann auch ganz persönliche Gründe haben. Oder siehst du andere Ursachen wieso die Organisation für deine Kolleginnen nicht interessant ist?

Das kann ich nicht im Namen der anderen beantworten, auch weil ich es gar nicht weiß – da müsstet ihr die einzelnen Zeichnerinnen selbst fragen.
Immer wieder höre ich aber von Kollegen, dass sie den Beitrag zu hoch finden. Wenn man schon gut eingebunden ist und professionell arbeitet sieht man für sich vielleicht nicht den Nutzen einer Mitgliedschaft bei der IO.
Ausserdem sind viele der angesagten, bekannten, erfolreichen Illustratoren, die evtl. eine Vorbildfunktion hätten, nicht in der IO – wahrscheinlich aus oben genannten Gründen.
Jobs über das Portfolio sind meiner Erfahrung nach extrem selten und viele haben schon einen festen Kundenstamm oder gehen andere Wege der Aquise.
Ich finde das ziemlich schade, denn für mich zählt da auch ein solidarisches Bewusstsein, als Berufsgruppe gemeinsam stärker zu sein, so Dinge bewegen zu können und eine Lobby zu haben.
Vielleicht wäre es wichtig, etablierten Illustratoren mehr attraktive Gründe aufzuzeigen um Mitglied zu werden.

Du lässt dich von einer Agentin vertreten. Anders als in anderen Ländern ist das in Deutschland immer noch eher die Ausnahme. Was hat dich dazu bewogen?

Ich finde es angenehm, unangenehme Dinge wie zum Beispiel Honorarverhandlungen abgeben zu können. Auch gerade bei komplizierten Verträgen mit verzwickten Nutzungsrechten bin ich sehr glücklich meine Agentin an meiner Seite zu haben mit der ich das gemeinsam besprechen kann. Beim Schriftverkehr mit englischsprachigen Kunden wie eben bei einem Bildverkauf nach Australien bin ich erleichtert, dass meine Agentin Mails auf englisch eindeutig schneller und besser schreiben kann als ich. Es ist gut sich über Jobs und Honorare austauschen zu können und da jemanden zu haben, der einem dabei zur Seite steht.

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Danke für das Interview!

Mehr zu Larissa Bertonasco und zum SPRING-Magazin:

www.bertonasco.de
www.springmagazin.de

Larissa Bertonascos IO-Portfolio

Alle Bilder zum Interview: Larissa Bertonasco

Das Gespräch führte Constanze Spengler für die Illustrotoren Organisation e.V.