Interview mit Anja Stiehler

Interview mit Anja Stiehler

23.01.2014 | 2014 | Interview | IO-News | Personen und Meinungen

Seit wann bist du Illustratorin?

Seit 2004. Bereits während des Studiums habe ich mit Jobs begonnen. Damals im Buchbereich und für einen Hörbuchverlag. Die Arbeit für Magazine und Zeitungen kam erst etwas später.

Wie läuft deiner Meinung nach die Auftragsabwicklung für eine Magazinillustration im besten Falle ab?

Der Auftraggeber kommt meist telefonisch oder per Mail auf mich zu. Wir besprechen dann das Thema und den Zeitrahmen. Häufig werden mir Beispiele aus meinem Portfolio genannt, so dass ich zusätzlich ein Gefühl dafür bekomme, in welche Richtung es stilistisch gehen soll. Oftmals gibt es in der Redaktion bereits mehr oder weniger konkrete Vorstellungen zur Illustration. Wenn die Zeit knapp bemessen ist oder es sich um ein recht trockenes Thema handelt, kann das sehr hilfreich sein. Am schönsten finde ich es aber, wenn mir freie Hand
gelassen wird – ich mir ganz eigene Gedanken machen und das Bild frei entwickeln kann.
Parallel informiere ich meine Repräsentantin Jutta Fricke über Art, Umfang und Zeitaufwand des Jobs, so dass sie mit dem Kunden das Honorar und die vertragliche Seite klären kann.
Am Ende wird sie auch die Rechnung in meinem Namen stellen. Den Entwurf bzw. die Entwürfe stimme ich per Mail mit dem Auftraggeber ab. Entschlussfreudigkeit und konstruktive Kritik finde ich toll. Im besten Falle gibt es keine größeren Korrekturen, ich führe die Illustration aus und liefere pünktlich die druckfähige Datei.

…und wie im schlechtesten? Sprich: Was kann z.Bsp. schief gehen? 

Meiner Erfahrung nach laufen Jobs meistens reibungslos ab und die Kommunikation mit dem
Kunden ist sehr gut. Schwierig ist ein unkonkretes Briefing. Das kann schnell zu
Missverständnissen und unnötiger Mehrarbeit für den Illustrator führen. Es kommt auch mal vor, dass inhaltlich einfach zu viel auf einmal oder sogar Unmögliches gewünscht wird. Ich versuche dann über den Entwurf einen Weg zu finden, mit dem der Auftraggeber zufrieden ist und mit dem ich gut leben kann.
Natürlich gibt es auch mal Themen, zu denen mir einfach nichts einfallen will. Entweder recherchiere ich dann erst einmal, um mich etwas mehr in die Materie einzulesen oder ich beginne einfach mit assoziativen Zeichnungen und Notizen. Das
hilft mir dabei, mich einer Thematik zu nähern. Letztlich schätze ich es sehr, auch mit Inhalten in Berührung zu kommen, mit denen ich mich ansonsten nicht befassen würde. So richtig schief gegangen ist mir noch kein Job. Katastrophenszenarien wie nicht eingehaltene Abgabetermine oder geplatzte Aufträge habe ich glücklicherweise noch nicht erlebt.

Dein Stil ist ein Mix aus verschiedenen Techniken. Wie wuerdest du selbst deine Arbeitsweise beschreiben?

Es geht meistens mit Handzeichnungen los. Anschließend scanne ich die Sachen ein, komponiere und koloriere sie am Rechner. Mit Aquarellfarbe, Gouache, Acryl, verschiedenen Farbstiften oder sonstigen Materialien fertige ich Farbflaechen an, die ich fuer die Kolorierung verwende.

Außerdem sammle ich alte, farbige, gemusterte oder strukturierte Papiere, um sie eingescannt als Fond oder ebenfalls als farbige Elemente einzusetzen. Mittlerweile habe ich dafuer einen umfangreichen digitalen Fundus, auf den ich zurueckgreifen kann. Mir gefaellt es, wenn eine haptische Anmutung erhalten bleibt, auch wenn das Bild am Rechner koloriert wird.

Ab und zu male ich ganz klassisch mit Pinsel und Farbe. Ansonsten probiere ich gerne etwas Neues aus. Ein Buchprojekt habe ich mit einer Mischung aus Scherenschnitten und strukturierten Flaechen umgesetzt.

Beschreibe uns die Atmosphäre, in der du am liebsten arbeitest. 

Wenn der Zeitdruck nicht zu groß ist, kann ich die Arbeit am besten genießen. Solange ich über ein Thema nachdenke und mir Bildideen überlege, mag ich es am liebsten still. Danach höre ich sehr gerne Musik oder Hörspiele und -bücher. Ich liebe es, alle nötigen Arbeitsmittel griffbereit um mich herum zu haben. Meinen Arbeitsplatz, an dem ich mich sehr wohl fühle, habe ich in einem Gemeinschaftsatelier mit befreundeten Illustratoren. Es ist toll, dass hier und da mal jemand auf das Bild schauen kann und wir uns austauschen.

Im vergangenen Jahr kam dein zweites Kind zur Welt. Wie bekommst du arbeiten und Familie unter einen Hut?

Die Arbeitszeit effektiv zu nutzen ist mit Kind ein besonders wichtiges Thema. Sehr kurzfristige Abgaben sind oftmals eine echte Herausforderung. Das ist sicher auch ohne Kind der Fall, nur ist für Eltern die zur Verfügung stehende Zeit ein ganzes Stück knapper bemessen. Ohne Nachtschichten würde ich es oft nicht schaffen. Deshalb habe ich zu Hause einen zusätzlichen Arbeitsplatz. So kann ich die Kinder mit ins Bett bringen und anschließend weiter machen. Ich habe das große Glück, dass mein Partner ebenfalls selbständig arbeitet und wir uns notfalls den Rücken frei halten können. Ohne Kita wäre das Ganze für uns undenkbar.

Es fiel mir nicht leicht, mein erstes Kind mit einem Jahr in die Krippe zu geben. Das ging nur, weil ich David in besten Händen wusste und gesehen habe, wie wohl er sich inmitten anderer Kinder fühlt. Mit der heutigen Erfahrung bin ich sogar überzeugt, dass die Kita mir nicht nur meine Arbeit ermöglicht, sondern für die Kinder eine große Bereicherung ist bzw. sein wird. Mein kleiner Sohn wird in Kürze eingewöhnt. Ich bin sehr glücklich, dass wir nun zu viert sind. Den Schritt zum zweiten Kind habe ich nicht gleich gewagt. Mittlerweile habe ich aber mehr Vertrauen, dass weiterhin gute Aufträge kommen werden. Meine Repräsentantin ist dabei eine wichtige Hilfe.

Man muss ehrlicherweise sagen, dass das Leben in einer Stadt wie Hamburg nicht gerade guenstig ist. Da kann man verstehen, dass viele Menschen – gerade Selbststaendige – das Kinderthema aufschieben. Wie bewertest du das Familienleben als Illustratorin aus finanzieller Sicht?

Beruflich würde ich ohne Kinder im Grunde nicht viel anders machen. Natürlich war und ist es nicht immer ganz einfach und zeitweise klappte das bei uns nur mit Nebenjobs. Das wäre aber auch ohne Kind der Fall gewesen, so dass ich den finanziellen Unterschied nicht als besonders gravierend empfunden habe.

Als David zur Welt kam, waren mein Freund und ich beide noch nicht mit dem Studium fertig. Wir hatten verdammt wenig Geld und wohnten das erste halbe Jahr mit dem Kleinen in meiner alten WG.
Mittlerweile hat sich die finanzielle Situation stabilisiert. Abgesehen davon bieten Verwandte und Freunde meist Unterstützung. Es gibt Elterngeld, Kindergeld, notfalls Wohngeld, der Hamburger Kita-Gutschein funktioniert einkommensabhängig.
Auf Flohmärkten oder im Internet findet man alles Nötige gut und günstig. Momentan sind wir auf der Suche nach einer größeren Wohnung. Hier hat man es als selbstständiger Kreativer tatsächlich nicht ganz leicht. Aber ich denke, auch das wird früher oder später klappen.

Wie und wo lässt du dich inspirieren?

Inspiration kommt beim Sehen. Ich freue mich, wenn ich zufällig auf schöne Bilder stoße. Das kann in Büchern, Zeitschriften, im Internet, natürlich im Museum oder auch in einem Film sein. Besonders gut gefallen mir alte Fotos und Plakate. Menschen zu beobachten, finde ich wunderbar und es geht im Grunde überall.

Vielen Dank für die ehrlichen Worte!

Anjas Stiehlers IO Portfolio
www.anjastiehler.de

Alle Bilder zum Interview: Anja Stiehler

Das Interview fuehrte Anne Quadflieg fuer die Illustratoren Organisation e.V.