Interview mit Ann Cathrin Raab

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© Alexandra Brosowski

Interview mit Ann Cathrin Raab

20.04.2017 | 2017 | Interview | IO-News | Personen und Meinungen

Ann Cathrin Raabs sprachspielerische Bilderbücher fallen auch durch ihre ungewöhnlichen Illustrationen auf. Im Sommer 2016 sprach sie mit Constanze Spengler für den IO-Spot im Eselsohr über die Entstehung ihrer Bücher. Wer es gern noch ein bisschen genauer wissen möchte, kann hier die ausführliche Fassung des Gesprächs nachlesen.

Woran arbeitest du gerade?

Ist schon fast fertig! – Ein Block mit Weitermalbildern für Kleinkinder, den ich mit zwei guten Freundinnen und Kolleginnen, Trixi Schneefuß und Eleanor Sommer (ehemals Marston) konzipiert und umgesetzt habe und der im Frühjahr 2017 im F. Oetinger Verlag erscheinen wird. Gerade erstelle ich die Reinzeichnungen der beiden Leitfiguren  „Krickelchen und Krakelchen“ für das Cover.

Und dann geht es auch gleich schon weiter mit einem neuen Bastel-Adventskalender, für den ich gerade die ersten Skizzen mache. Aber davon wird noch nichts verraten.

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Dein Illustrationsstil ist nicht unbedingt „Bilderbuch-Mainstream“. War es anfangs schwierig, einen Verlag dafür zu begeistern?

Ja und nein. Meine ersten Erfahrungen mit (vor allem deutschen) Verlagen hatten etwa den Wortlaut „Nein, sehr schön, aber viel zu grafisch“ oder „Das ist viel zu abstrakt, das verstehen Kinder nicht“.

Andererseits fand ich noch während des Studiums einen französischen Verlag, der meine Semesterarbeit „Zeckengeflüster“/„Les Tiques attaquent“ als Kinderbuch herausbrachte, und nicht viel später traf ich den Lektor des Rostocker Hinstorff Verlags, der dieses Buch nach Deutschland holte.

Auch durch die Gestaltung der Cover für die Krickel-Krakel-Reihe (Oetinger Verlag) – das erste Krickel-Krakel-Buch erschien 2008 direkt nach Beendigung meines Studiums – machte ich mir schnell einen Namen in der Branche und wurde mit offeneren Armen empfangen.

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Krickel-Krakel-Minispaß - Achtung, Monster! - F. Oetinger Verlag 2014

Bei vielen deiner Bücher stammen sowohl die Illustrationen als auch der Text von dir. Hast du die Bücher als fertiges Projekt angeboten?

Ganz fertig war nur das Zeckengeflüster, das ich während des Studiums erstellt hatte, und das habe ich für die deutsche Version auch noch einmal überarbeiten können. Je nach Projekt war das verschieden. Ich bin bei einigen Büchern mit einem fertig ausgearbeitetem Plot oder und einigen Probeillustrationen in die Akquise gegangen, habe aber auch schon die tolle Erfahrung gemacht, dass ich nur eine grobe Idee präsentiert habe und dann Bücher unter Vertrag standen, bei denen ich selbst noch nicht recht wusste, wie sie am Ende wohl aussehen würden.

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Das große Lalula - Prestel Verlag 2016

Was ist zuerst da: Bild oder Text?

Das ist eine gute Frage, oft weiß ich das selbst am Schluss nicht mehr.

Normalerweise entwickle ich immer beides gleichzeitig, das lässt sich für mich nicht trennen. Am Anfang steht eine Idee, die ist manchmal bildlich, manchmal konzeptionell. Dann entstehen erste Bildsegmente oder Storyboards, ein erster inhaltlicher Aufbau der Geschichte, Bilder werden mit einem Stück Text verknüpft oder durch entstehende Textideen verändert, genauso auch Texte an Bilder angepasst.

Manchmal entsteht ein Buch aus Bildern, die ursprünglich keinen textlichen Zusammenhang hatten, wie z. B. bei „Fünf Mäuse und eine Katz“. Da habe ich zeichnerisch „gespielt“ und dann eine Geschichte zu dieser Art des Bildaufbaus und den Figuren erfunden. Bei meinem letzten Buch „Wörterwuselwelten“ war es anders herum. Da stand zuerst die Idee und die Ausarbeitung des Textes. Den brauchte ich, damit ich die Figuren daraus entwickeln konnte.

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Wörterwuselwelten - Ein Ausflug - kunstanstifter Verlag 2016

Wie entstehen die Illustrationen?

Zunächst skizziere ich. Das mache ich mit Bleistift auf Papier, manchmal auch auf dem Grafiktablett am Rechner.

Wenn die Zeit und das Projekt es hergeben, fertige ich alle Zeichnungen mit der Hand ganz klassisch auf Papier. Ich finde, sie sind dadurch frischer und authentischer. Und ich mag die Haptik von Papier, das Arbeiten mit Feder, Pinsel, Tinte.

Ich zeichne alle Elemente der Skizze mit der Rohr- oder Zeichenfeder kreuz und quer und oft in verschiedenen Versionen auf Zeichenkarton, auch die Farbflächen lege ich auf dem Papier an, das scanne ich dann alles ein und puzzle es in Photoshop nach meiner Skizze zusammen.

Einige meiner Bücher habe ich nur im Original, heißt also die finalen Illustrationen nur auf Papier. So zu arbeiten ist aber sehr aufwändig und birgt weniger Spielraum, weil ich nicht hier und da einfach Elemente z. B. verschieben oder umfärben kann, ohne ein komplett neues Bild zu erstellen. Dazu kommt, dass die meisten Verlage auch nur noch digitale Daten annehmen, die Bilder müssen also eh in den Rechner – nebst Nachbearbeitung, die nie ausbleibt beim Digitalisieren – da bietet es sich an, dieses Werkzeug auch darüberhinaus zu nutzen.

Andere Bücher habe ich aus Zeitgründen auch nur am Rechner auf dem Grafiktablett gezeichnet. Allerdings mit einer Ausnahme. Figuren „finde“ ich meist nur mit einem echten Stift in der Hand. Wenn sie ausgearbeitet sind, kann ich sie auch auf dem Grafiktablett zeichnen, dabei imitiere ich einfach die Art der Linie, die eine Rohr- oder Zeichenfeder hinterlässt.

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Frau Nasekalt - mixtvision Verlag 2011

Wie sind die Reaktionen deiner Leser auf die Bücher?

Wenn die nicht wären … Es gibt Leute, die sind regelrecht verliebt in meine Figuren. Und wenn bei Lesungen gestaunt und gelacht wird, wenn ich sehe und höre, wie Kinder meine Bilder und Geschichten interpretieren, weiterspinnen und in manchmal anschließenden Workshops sogar nachzeichnen, selbst umsetzen oder eigene Figuren erfinden, und dabei meinen offenen Umgang mit Farben, Formen und Wörtern übernehmen, ist mir das der schönste Lohn für meine Arbeit.

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Lenni mag Blau - Thienemann Verlag 2010

Was macht für dich eine gelungene Illustration aus?

Meine Illustrationen sind stark reduziert, kommen „locker“ und „einfach“ daher. Der Betrachter muss nicht erst lange hinsehen, mit einem Blick fasst das Gehirn die wenigen Linien und Punkte und erkennt und deutet. Das schult nicht nur bei Kindern die Abstraktionsfähigkeit, was ich für wichtig halte in unserer symbolbehafteten Welt, sondern kann auch beim Erwachsenen viel an Emotion auslösen. Häufig nutze ich absurde Momente, die stutzig machen oder irritieren, den Betrachter zum Denken anregen, oder zeige durch verrutschte oder autarke Farbflecken auf, dass nicht alles „richtig“ und realistisch sein muss, um zu funktionieren oder Stimmungen oder Gefühle widerzuspiegeln.

Diese (scheinbare) Einfachheit der Zeichnung hinzubekommen ist nicht ganz einfach. Manchmal macht es einen großen Unterschied, wenn nur eine Linie oder ein Punkt dicker oder dünner oder um wenige Millimeter verschoben ist, und schon ist ein Gesichtsausdruck oder eine Bewegung eine ganz andere. Machmal zeichne ich eine Figur x-mal, bis sie endlich funktioniert.

Was ist dir beim Illustrieren besonders wichtig?

Im Großen und Ganzen ist mir wichtig, dass ich die Leser meiner Bücher erreiche, dass Kind und Vorleser Spaß an der Geschichte haben, entdecken, was in meinen Bildern über den Text hinaus zu sehen und eben vielleicht auch nicht zu sehen ist. Wenn über meine Bilder und Geschichten gelächelt oder sogar gelacht wird, sie Freude bereiten, am besten sogar zum selber Quatsch machen animieren, habe ich erreicht, was ich wollte.

> Ann Cathrin Raabs IO-Portfolio
www.anncathrinraab.de

Foto: © Alexandra Brosowski
Alle anderen Bilder zum Interview: © Ann Cathrin Raab

Das Gespräch führte Constanze Spengler für die Illustratoren Organisation e.V.