Humor und Satire: Ein steiniger Acker

Humor und Satire: Ein steiniger Acker

18.09.2018 | 2018 | IO-News | Rund um Illustration

Karikaturen und Cartoons – also visueller Humor – bilden eine spezielle Spielart der Illustration, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert.

KarikaturistInnen für Tageszeitungen und politische Magazine müssen nicht nur die Fähigkeit zur politischen Analyse, eine gute Informationsbasis und solide Allgemeinbildung haben. Sie müssen auch schnell sein: Tageszeitungen legen vormittags fest, mit welchem Thema sie am nächsten Tag aufmachen, und brauchen  die Karikatur dazu noch am selben Nachmittag.  Und das Tag für Tag – auch im Urlaub.
Eine selten nachgefragte Sonderform der Karikatur ist die Porträtkarikatur. Sie übertreibt Anatomie und Mimik des Objektes im besten Falle so, dass sie dessen Persönlichkeit bloßlegt. Dieser zeichnerisch anspruchsvolle Zweig der Illustration verlangt einen präzisen Blick, Einfühlungsvermögen und viel Entwicklungsarbeit.

Die belletristische Form des gezeichneten Humors ist der Cartoon. Seine vornehmste Aufgabe ist: Leserschaft unterhalten, zum Lachen bringen! Dazu muss er sich auf das beziehen, was seine Zielgruppe kennt, sonst würde der Witz nicht zünden. Die ZeichnerInnen müssen also mit  ihrer Zielgruppe und deren Leben vertraut sein, ähnliche Erfahrungen machen, Anteil nehmen.

Im vorigen Jahrhundert galten Cartoons noch als eine Säule der Leser-Blatt-Bindung. Seit 20 Jahren befinden sich die Printmedien aber im wirtschaftlichen Sinkflug; insbesondere die Magazine, früher Hauptabnehmer für Cartoons, haben den gezeichneten Humor im Blatt deutlich reduziert.
Während die wirtschaftliche Situation der relativ wenigen meist als „feste Freie“ arbeitenden politischen Karikaturisten in den Tageszeitungen  einigermaßen stabil ist, gehen Schätzungen von Insidern davon aus, dass 90 Prozent der Cartoonisten im deutschsprachigen Raum nicht von dem leben können, was ihre Zeichnungen einbringen.

Die Cartoon-Honorare sanken auf einen Bruchteil der noch in den 1980er Jahren üblichen Höhe. Und das wirkt sich wiederum auf die Zeit aus, die die ZeichnerInnen aufwenden können. Ein schneller, skizzenhafter Strich ist die Regel. Einige Cartoonistinnen machen daraus eine Tugend und kultivieren einen reduzierten, rohen, manchmal demonstrativ dilettantischen Zeichenstil. Zeichnerisch aufwändiges Artwork kann nur eine kleine Minderheit verkaufen – allerdings gab es dafür auch vor der Jahrtausendwende nur begrenzt Abnehmer.
Unterschätzte Ausnahmen sind meines Erachtens Themen- und Fachzeitschriften, von denen einige erstaunliche Auflagen und Reichweiten erzielen. Wer Lust hat, sich in ein entsprechendes Fachgebiet einzuarbeiten und auf Akquise zu gehen, der könnte dort sein Glück machen.

In der Buchbranche fand ebenfalls ein Konzentrationsprozess statt. Im wesentlichen gibt es nur noch einen Verlag für gezeichneten Humor&Satire: Lappan in Oldenburg. (Der wurde wiederum von Carlsen gekauft und gehört damit zur Bonnier-Gruppe.) Lappans Erfolgsrezept sind Anthologien und Themen-Geschenkbücher in der unteren Preisklasse. Hochwertige Cartoonbände bleiben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bewährten und bekannten Kräften vorbehalten. Und auch deren Buchhonorare sind deutlich gesunken.
Manche KollegInnen kommen in einem Kalenderverlag unter, andere verkaufen Drucke über ihre Internetseite. Kollegen mit Entertainerbegabung machen „Cartoonlesungen“ oder sogar Comedy-ähnliche Events mit Musik.
Ausstellungen haben für den visuellen Humor nur eine geringe Bedeutung. Dazu ist er – von den Arbeiten einiger weniger KollegInnen abgesehen – nicht „Kunst“ genug. Im Vergleich zu der Bildenden Kunst gibt es hier zu wenig Sammler und Ausstellungsmöglichkeiten. Und wenn es Ausstellungsangebote gibt, können die Veranstalter meistens das eigentlich fällige Ausstellungshonorar nicht zahlen. Die Kosten müssen dann über den Verkauf von Büchern und Originalen oder Drucken wieder hereinkommen. Eine schwarze Null, verbunden mit der Hoffnung, die eigene Fangemeinde wieder ein wenig vergrössert zu haben, gilt schon als gutes Ergebnis.
Die eigene Fangemeinde und ihre Pflege, das ist die Basis für die Arbeit als Cartoonist. Vor allem darin unterscheidet sich dieser steinige Acker von den anderen Ausprägungen der Illustration.

Die Szene kennt sich, und es gibt zwischen den Zeichnerinnen viele persönliche Verbindungen. Versuche von Verwertern, die Honorare weiter zu drücken, werden zwar schnell bekannt.  Andererseits sind KarikaturistInnen und CartoonistInnen aber auch ausgeprägte Individualisten und begegnen jeder Art von Organisierung mit tiefem Misstrauen. Meinem Eindruck nach setzt sich trotzdem zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Kommunikation untereinander und eine gemeinsame Haltung gegenüber den Verwertern Honorardumping zumindest erschweren.

Die Reform des Urheberrechts im Jahre 2017 eröffnete Berufsverbänden die Möglichkeit, auch mit einzelnen Verwerten gemeinsame Vergütungsregeln auszuhandeln. Dafür bietet sich meiner Ansicht nach die Cartoonbranche gradezu an – eine naheliegende Aufgabe für die Illustratoren-Organisation.

Wolf-Rüdiger Marunde