Anpassung des Urheberrechts an die digitale Welt

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© Christian Effenberger

Anpassung des Urheberrechts an die digitale Welt

24.09.2020 | 2020 | IO-News | Recht und Politik

Noch nie hat es so lange gedauert, bis sich EU Kommission, Rat und EU Parlament auf eine Richtlinie zur Reform des Urheberrechts einigen konnten – und selten hat ein solches Vorhaben auch die Bürger*innen auf die Straße gebracht. Die umfangreiche und auch in der Öffentlichkeit heftig geführte Diskussion haben der Richtlinie gut getan. Der endgültige Text ist in vielen Details genauer und ausgewogener geworden. Nach jahrelangem gesetzgeberischem Stillstand ist nun der erste Schritt unternommen, das Urheberrecht der digitalen Welt anzupassen. Die gute Nachricht ist: Auch im Internet gilt das Urheberrecht, aber einige Regeln waren in der boomenden Digital-Wirtschaft nicht mehr zeitgemäß.

Für ein Kernproblem galt es eine Lösung zu finden: Im digitalen Massengeschäft braucht es für die Nutzer*innen einfache Wege, um Lizenzen für ihre Angebote einholen zu können. Das betrifft sowohl den Bereich des Unterrichts und der Forschung als auch Institutionen des kulturellen Erbes, Museen, Archive und Bibliotheken, die ihre Angebote online stellen wollen. Hier können Verwertungsgesellschaften nun Lizenzen anbieten, die sowohl den Zugang zur Kultur ermöglichen als auch die Vergütung der Urheber*innen sicherstellen. Das dafür zur Verfügung gestellte Instrument ist die Kollektive Lizenz mit erweiterter Wirkung (Extended Collective License, ECL).

In der Öffentlichkeit stark und kontrovers diskutiert wurde die Plattform-Regulierung: Hier werden heute umfangreich geschützte Werke kommerzialisiert, ohne dass die Rechteinhaber*innen dafür eine Vergütung erhalten. Grund dafür sind Regelungen in der E-Commerce-Richtlinie von 2001, also aus einer Zeit, als die Entwicklung des Internets und v. a. der sozialen Medien nicht absehbar war. Geld sehen die Urheber*innen nicht. Nun müssen Plattformen Rechte für die von ihren Nutzer*innen hochgeladenen Werke erwerben, wenn sie nicht selbst in die Haftung genommen werden wollen. Die Befürchtung war, dass die Plattformen lieber Upload-Filter einsetzen, als Rechte zu erwerben.

Zu guter Letzt widmen sich Art. 18 – 22 dem Urhebervertragsrecht und stärken die Position der Urheber*innen gegenüber ihren Vertragspartner*innen, indem europaweit verbindliche Informations- und Abrechnungspflichten geschaffen werden. Bis zum Juni 2020 muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.


Wie läuft die Umsetzung ab?

Nach einer Anhörung der beteiligten Kreise im Sommer 2019 hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) entschieden, zwei Umsetzungspakete zu schnüren – und dabei vor dem üblichen Referentenentwurf zunächst mit einem sogen. Diskussionsentwurf die Pläne des Ministeriums vorzustellen. Ein erster Diskussionsentwurf vom Januar 2020 hatte das Ziel, die Frage der Verlegerbeteiligung an den Erlösen der Verwertungsgesellschaften und die Vorgaben des europaweiten Presseleistungsschutzrechts umzusetzen sowie die erst 2018 eingeführten Regelungen zum Text- und Data-Mining anzupassen. Im Mai wurde dann der Entwurf des darauf fußenden Referentenentwurfs geleakt – und ist seither in der Versenkung verschwunden. Offenbar besteht Uneinigkeit zwischen dem BMJV einerseits und dem Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt anderseits über grundlegende Weichenstellungen: Während im Entwurf des BMJV eine Mindestquote für die Beteiligung der Urheber*innen am Presseleistungsschutzrecht sowie eine Obergrenze der Beteiligung der Verlage an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften vorgesehen ist, stellen gerade diese Quoten (wohl nach Intervention der Verlage) im Wirtschaftsministerium und im Bundeskanzleramt »rote Linien« dar. Man ist in den letztgenannten Häusern noch der Überzeugung, »das könne der Markt regeln«.

Ende Juni 2020 folgte dann der Diskussionsentwurf zum zweiten Umsetzungspaket, dessen Kern die Umsetzung der Plattformhaftung ist. Zentraler Streitpunkt in der öffentlichen Diskussion war die Frage, ob Art. 17 die Plattformen dazu verleiten würde, Uploadfilter einzusetzen und »Overblocking« zu riskieren. Um die Rechte der Nutzer*innen zu stärken, wird ein Pre-Flagging-Verfahren geschaffen, mit dem die Nutzer*innen ihren Post selber als urheberrechtlich erlaubt markieren können. Wird eine Rechtsverletzung gerügt, beginnt ein internes, von der Plattform zu moderierendes Beschwerdeverfahren. Dieses gesamte Verfahren ist neu und unerprobt und legt den Rechteinhaber*innen bei der Durchsetzung ihrer Rechte einige Steine in den Weg. Dies Problem dürfte allerdings deutlich geringer ausfallen, wenn die Plattform bereits eine Lizenz für ein bestimmtes Repertoire erworben hat. Um dies zu erreichen, sollen die Verwertungsgesellschaften Lizenzen ausgeben können, die auch Außenseiter umfassen. Erst letzte Woche haben die internationalen Bild-Verwertungsgesellschaften den Grundstein gelegt, um auch internationale Lizenzen anbieten zu können. Für die Lizenzierung von bildender Kunst ist damit der Weg zur umfassenden Lizenzierung eröffnet; für andere wichtige Bild-Bereiche müssen die ausländischen Schwestergesellschaften z. T. noch ihre Wahrnehmungsverträge anpassen. Die VG Bild-Kunst hat bereits 2019 den Wahrnehmungsvertrag um die entsprechenden Rechte der Fotografen, Illustratoren, Designer und anderen Mitgliedern der Berufsgruppe II ergänzt und kann diese Rechte zumindest national lizenzieren – also für eine Vergütung der Urheber*innen sorgen.

Der Entwurf enthält daneben einige durchaus problematische Regelungen: Art 17 verpflichtet zur Einführung von Schrankenregelungen zugunsten von Usern der Plattformen, die die Erstellung von Parodie, Karikatur und Pastiche erlauben. Das macht Sinn, wenn es sich ausschließlich auf Nutzungen auf den genannten Plattformen bezieht – und wenn die Urheber*innen dafür vergütet werden. Schließlich sind Memes und Gifs sehr erfolgreiche Inhalte der Plattformen und generieren ordentliche Werbeeinnahmen, an denen die Urheber*innen beteiligt werden sollen. Diese Ausnahmen sollen aber nicht nur für Plattformen gelten, sondern für alle Nutzungen: auch für analoge Nutzungen, auch für kommerzielle Nutzungen. »Pastiche« ist in Deutschland kein üblicher Begriff. Nach der Begründung sollen Pastiches Auseinandersetzungen mit einem fremden Werk sein, »die (….) Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage.« Damit könnten sich auch kommerzielle Anbieter darauf berufen, ihre analogen Produkte (z. B. Merchandising) brächten Wertschätzung für das Original zum Ausdruck.

Problematisch für den Bildbereich ist auch eine »de minimis«-Regelung, nach der Nutzungen auf Plattformen bis zu einem bestimmten Umfang (für Abbildungen bis zu 250 KB!) nicht verboten werden können. Eine solche Schranke kennt das Urheberrecht sonst an keiner Stelle – ganz abgesehen davon, dass die Dateigröße im Bildbereich kein Kriterium für einen Eingriff in Rechte darstellen kann und eine Dateigröße von 250 KB die Normgröße für Bilddateien in sozialen Medien darstellt.

Last but not least: Wenn Plattformen Lizenzen erwerben, sollen damit auch die Nutzungen der Nutzer*innen abgegolten werden, wenn diese »nicht kommerziell« handeln oder keine erheblichen Einnahmen erzielen. Eine Erstreckung ist auch in der Richtlinie vorgesehen, dort ist die Rede von »nicht gewerblichen« Nutzern. Der Begriff »nicht kommerziell« ist aber unscharf. Ist die öffentliche Hand kommerziell? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk? Museen, Bibliotheken und Archive? Es ist dringend nötig, dass der Gesetzgeber dies sauber abgrenzt. Am klarsten scheint zu sein, nicht kommerzielle Nutzungen als rein private Nutzungen zu definieren.

Zum Diskussionsentwurf konnte bis Ende Juli Stellung genommen werden – diese Möglichkeit haben VG Bild-Kunst und IO genutzt. Vermutlich wird es keine weitere Diskussionsrunde geben, sodass eine Reaktion auf die Stellungnahmen anderer Verbände (v. a. der Industrie und der Verwerter zum Urhebervertragsrecht und zur Plattformlizenzierung) nicht möglich sein wird. Hier bleibt also nur der Versuch, mit den Parlamentarier*innen in ihren Heimatkreisen ins Gespräch zu kommen. Nutzen Sie diese Möglichkeit – es geht um wichtige Weichenstellungen für alle Urheber*innen!

Dr. Anke Schierholz, Justiziarin der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst