Interview mit Miriam Elze

Interview mit Miriam Elze

09.06.2016 | 2016 | Interview | IO-News | Personen und Meinungen

Foto: René Lahn

Miriam Elze illustriert nicht nur Bücher, sie zeichnet auch live auf Veranstaltungen. Hier erzählt sie, warum ihr das soviel Spaß macht und wie sie mit den besonderen Herausforderungen des Live-Zeichnens umgeht. 

Du verdienst dein Geld in ganz unterschiedlichen Bereichen der Illustration. Erzähl doch mal, was du so machst.

Zum einen illustriere ich Bücher – das reicht von Kinderbuch, über künstlerisches Erwachsenenbuch, über Schulbuch zu Spielebuch. Malerisch, grafisch oder auch digital. Im Laufe meiner Berufstätigkeit wurde eine Nische für mich immer wichtiger: Schnellzeichnen auf Veranstaltungen. Das heißt ich zeichne Portraits der Gäste oder halte die Feier in Form eines Geschichtenalbums grafisch fest. Das wird besonders gerne bei Hochzeiten gebucht. Außerdem unterrichte ich mit viel Freude Studenten im Fach Illustration. Da geht es häufig um Buchumschläge, Buchillustration, Plakat, Verpackungsillustration. Der Austausch mit den Studenten ist bereichernd für mein eigenes kreatives Arbeiten.

Was gefällt dir am Zeichnen auf Veranstaltungen?

Da der Beruf des Illustrators ein einsamer Beruf ist, freue ich mich immer auf die Action beim Veranstaltungszeichnen. Dass ich so gerne Portraits zeichne, liegt vor allem daran, dass ich so neugierig auf die Menschen bin und mich freue, sie kennenzulernen. Ich lerne die verschiedensten Menschen in unterschiedlichstem Umfeld kennen. Das Portraitzeichnen ist eine intime und sensible Angelegenheit. Es ist immer bereichernd und bewegend. Es wird niemals langweilig. Ich bekomme im Vergleich zur Buchillustration immer sofort ein direktes Feedback vom Publikum, ein glückliches Strahlen und Bemerkungen, die ich nicht missen möchte.

Worauf kommt es beim Zeichnungen auf Veranstaltungen besonders an?

Am wichtigsten beim Schnellzeichnen ist, wie der Name schon sagt, die Schnelligkeit. Dies genieße ich als unglaublichen Flow, wenn ich in wenigen Stunden 50 Portraits zeichne. Für ein Portrait benötige ich ungefähr vier Minuten. Dies finde ich die optimale Zeit: Dem Model wird die Zeit nicht zu lang, die Umstehenden beobachten den Entstehungsprozess von Anfang bis Ende und die Wartenden kommen selbst schnell an die Reihe. Gleichzeitig nehme ich mir genügend Zeit, um einen Blick unter die Oberfläche zu erhaschen und das Charakteristische herauszuarbeiten ohne dabei dumpf karikierend zu sein.

Wichtig finde ich es dabei, kontaktfreudig auf die Gäste zuzugehen und ein gutes Einfühlungsvermögen zu haben: Gezeichnet zu werden ist für die meisten Menschen ziemlich aufregend.

Viele Illustratoren werden nervös, wenn Ihnen beim Zeichnen ständig jemand über die Schulter schaut. Für dich ist das Teil deiner Arbeit. Wie schaffst du es dein Publikum zu unterhalten und dich trotzdem zu konzentrieren?

Häufig werde ich während des Zeichnens natürlich zu meinem Beruf als Künstlerin befragt, und auf diese Fragen Antworten zu geben, gehört natürlich zur Darbietung dazu. Während ich zeichne, unterbreche ich das Zeichnen kurz, um zu antworten, denn hoch konzentriertes Zeichnen und gleichzeitiges Sprechen funktioniert nicht. Man muss es tatsächlich mögen, dass einem beim Zeichnen über die Schulter geguckt wird. Dazu gehört auch ein gutes Selbstbewusstsein, denn freche Kommentare gibt es immer.

Ab und an hat man auch mit Publikum zu tun, für das nur eine fotorealistische Zeichnung eine gute Zeichnung ist. Auch mit solcher Kritik muss man gut umgehen können.

Am Ende des Tages merke immer erst das Ausmaß der höchsten Konzentration. Den nächsten Tag brauche ich zur Erholung. Diese Art des Zeichnens ist eine ganz andere als die im Atelier.

Das heißt auch: Beim Geschichtenillustrieren brauche ich meine absolute Ruhe, da würde Publikum mich auch nervös machen.

Was machst du, wenn dir eine Portraitzeichnung mal gar nicht gelingen will?

Ich konzentriere mich und zeichne die Person so ähnlich, wie es geht. Das Urteil liegt sowieso im Blick des Betrachters. Meist ist der dann nämlich total angetan und nur ich selbst war zu kritisch mit mir selbst.

Seit einiger Zeit zeichnest du auch auf dem Tablet. Hat das deine Arbeitsweise verändert?

Das berühmte weiße Blatt Papier fühlt sich auf dem Tablet anders an, sozusagen weniger weiß. Es ist ein Skizzenbuch, in dem unendlich viel Platz ist.

Ich finde es wichtig, nach wie vor regelmäßig analog zu zeichnen und damit umzugehen, nicht jeden Schritt wieder rückgängig machen zu können. Wenn ich auf dem Tablett zeichne, vermisse ich, dass Farbe auf dem Papier ungewollt verläuft. Ich vermisse auch die Haptik des Papiers und des Farbauftrags. Das Tolle am Zeichnen mit dem Tablet ist, dass ich – selbst wenn ich im Kino ein paar Minuten auf den Beginn des Films warte – ein Bild mit den wunderbarsten Farben malen kann: Ich muss keine Farbpalette auspacken, ich mache keine Kleckse, es riecht nicht nach Farbe… Da ich gerne unterwegs zeichne und male, dabei bevorzugt mit Farben arbeite, ist es das Tablet das ideale Skizzenbuch.

Wo würdest du gern mal zeichnen?

Ich zeichne überall gerne, wo ich interessante Menschen treffe. Mit großem Interesse verfolge ich Blogeinträge von Kollegen, die z.B. für das Goetheinstitut Eindrücke in fremden Ländern in Skizzen festhalten. Das finde ich wunderbar.

Illustrationen für Kinderbücher, unterrichten, zeichnen auf Hochzeiten oder Kongressen –  was machst du am liebsten?

Es fällt mir schwer zu sagen, was ich am liebsten mache; Der Wechsel macht’s. So bleibe ich begeistert und neugierig dabei.

Fällt dir das Umschalten zwischen den Bereichen manchmal schwer? Würdest du einen deiner Arbeitsbereiche gern ausbauen?

Das Umschalten ist tatsächlich nicht so einfach, das kostet auch Energie und Zeit. In Zukunft möchte ich mir mehr Zeit für freie Illustrationen nehmen. Ebenso würde ich gerne den Bereich des Graphic Recording, mit dem ich begonnen habe, intensiver verfolgen. Auch hier ist absolute Schnelligkeit gefragt, dieser Schwung und das konkrete Darstellen von abstrakten Inhalten machen mir Spaß.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Mehr zu Miriam Elze: http://miriamelze.de
und miriamelze.blogspot.de

Foto: René Lahn
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Das Gespräch führte Constanze Spengler für die Illustratoren Organisation e.V.