Plattformlizenzierung – Chance für Urheber*innen

Plattformlizenzierung – Chance für Urheber*innen

11.05.2022 | 2022 | IO-News | Rund um Illustration

Viele Illustratoren und Illustratorinnen sind Mitglied in der VG Bild-Kunst und sichern sich dadurch zusätzliche Einnahmen. Denn die VG Bild-Kunst verwaltet in Deutschland die gesetzlichen Vergütungsansprüche für urheberrechtlich geschützte Bildwerke. Größte Einnahmequelle ist bislang die Privatkopievergütung. Der Profi kann mit Ausschüttungen um 1.000 Euro im Jahr rechnen, bei guter Auftragslage kann es auch deutlich mehr werden. Die Bild-Kunst ist ein Verein und kostet nichts.

Seit letztem Sommer hat diese kollektive Rechteverwaltung neuen Schub bekommen: In Deutschland wurden die Social-Media-Anbieter haftbar gemacht für die illegalen Uploads ihrer User*innen. Zwei Jahrzehnte lang konnten sich die Anbieter auf ein Haftungsprivileg aus den 1990er-Jahren berufen und sich so an die Spitze der wertvollsten Unternehmen der Welt setzten. Ein ganz neues Ökosystem hat sich entwickelt, das nicht nur im Urheberrecht vielfältige Regulierungsfragen aufwirft: Datenschutz, Cybermobbing, Filterblasen und demokratiegefährdende Attacken aus Russland sind weitere Stichwörter.

Bleiben wir beim Urheberrecht: Es wurde 2019 von der EU als Testballon genutzt, um herauszufinden, inwieweit den US-Giganten neue Regeln auferlegt werden können. Wir erinnern uns: nur gegen viel Widerstand aus der Netz-Community konnte die DSM-Richtlinie im Europäischen Parlament durchgesetzt werden. Das geniale Narrativ vom Upload-Filter war von den Plattformen geschickt ins Spiel gebracht worden. Es hat am Ende nicht verfangen.

Natürlich können Facebook & Co. nicht alle Bildwerke einzeln lizenzieren, die täglich illegal von User*innen hochgeladen werden. Aber das ist auch gar nicht notwendig, denn dafür gibt es die gute, alte kollektive Rechteverwaltung: Für Deutschland hat die VG Bild-Kunst gemeinsam mit dem BVPA, dem Bundesverband professioneller Bildanbieter, die Social-Media Bildlizenz entwickelt. Diese füllt die Lizenzlücke der Diensteanbieter und funktioniert wie folgt:

Lizenziert werden nur die Uploads privater User*innen. Der kommerzielle Bereich funktioniert und bleibt unangetastet. Denn hier fließen die Rechte schon jetzt von den Kreativen über die Unternehmen hin zu den Plattformen. Allerdings gibt es für die Kreativen im kommerziellen Bereich noch einen gesetzlichen Aufschlag in Form des neuen Direktvergütungsanspruchs. Warum? Weil die Unternehmen in ihren Vergütungen an die Kreativen nicht den Mehrwert abgelten können, den die Plattformen generieren. Diese Lücke zur verhältnismäßigen Vergütung wird jetzt geschlossen.
Die Social-Media-Bildlizenz umfasst grundsätzlich alle Bildwerke, die es gibt. Denn sie ist als erweiterte Kollektivlizenz ausgestaltet. Wer nicht mitmachen will, muss aktiv sein Opt-out erklären. Auch wer mitmacht, kann einzelne Werke von der Lizenz ausnehmen, denn manchmal muss man einem Kunden die Rechte an einer Illustration absolut exklusiv einräumen. Mitzumachen ist somit nicht mit Nachteilen fürs Tagesgeschäft verbunden.

Facebook, Twitter, Pinterest & Co. vergüten die Social-Media-Bildlizenz mit einer Beteiligung der VG Bild-Kunst an ihren Einnahmen. Wir fordern um die 10 % des Deutschland-Umsatzes pro Jahr. Ob wir dieses Ziel erreichen, werden die Verhandlungen und gegebenenfalls die Gerichtsverfahren entscheiden. Die Umsatzbeteiligung als Prinzip steht jedenfalls im Gesetz. Es geht um 100 Mio. Euro, also um viel Geld. Aber es geht auch um alle Bildwerke und den gesamten deutschen Markt. Wir kämpfen für die Zukunft des Bildes.

Über die Verteilung des Geldes entscheidet bei der VG Bild-Kunst die Mitgliederversammlung und nicht ein obskurer Gesellschafterzirkel. Die Systematik wird noch ausgearbeitet. Dabei hat die Illustratoren Organisation einen erheblichen Einfluss, denn viele Bild-Kunst-Mitglieder übertragen ihr für die Mitgliederversammlung ihre Stimme. Sie stimmt sich ab mit anderen Organisationen wie Freelens, AGD oder dem DJV. Die VG Bild-Kunst funktioniert wie unsere Parteiendemokratie.

Wichtig zu wissen: Wer als einzelne*r Rechteinhabende*r zögert, kann nicht etwa selbst mit Facebook & Co. verhandeln. Der Gesetzgeber schützt die Diensteanbieter vor Einzelansprüchen. Es geht nur im Kollektiv. Wer nicht mitmacht, kann nur versuchen, illegal hochgeladene eigene Werke sperren zu lassen. Allerdings hat der Gesetzgeber hier die Voraussetzungen verschärft, um die berühmten Upload-Filter zu verhindern. Wie bei der Privatkopievergütung gilt also: Wer nicht mitmacht, verzichtet auf Geld.

Die Social-Media-Bildlizenz bringt dreierlei Vorteile: (1) Sie wird mittelfristig zu höheren Einnahmen für die Kreativen führen, (2) die Uploads der privaten User werden legalisiert und (3) die Diensteanbieter erhalten alle Rechte aus einer Hand. Was will man mehr?

Dr. Urban Pappi
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Bild-Kunst