Technisch gesehen hast du dich auf einen individuellen Collage-Stil spezialisiert. Wie genau ist es dazu gekommen?
Die legendären Bilderbücher von Eric Carle haben mein Interesse an Collagen auf jeden Fall schon früh geweckt!
Unzählige Basteleien später, während meines Studiums an der ABK Maastricht, stolperte ich beim Niederländischlernen über den Begriff „knip & plak“, was soviel wie schneiden & kleben bzw. copy & paste bedeutet.
Und das klingt doch genau so, wie es sich anfühlt! Analoges und auch digitales knip & plak ist für mich die ideale Herangehensweise: etwas aus Versatzstücken zusammenzubauen führt fast zwangsläufig dazu, daß man die Eigenheiten und Fehler der Materialien bewusst nutzt, anstatt sie irgendeinem Perfektionismus zu unterwerfen.
Spannend war in diesem Zusammenhang auch mein Praktikum bei FLACHBILD, einem Kölner Büro für Grafik, Illustration, Film & Ton. Bei bewegten Bildern verliere ich zwar schnell den Überblick, aber die Vorbereitungen für eine Animation (Zeichnen, Collagen anfertigen, Figuren herstellen etc.) fand ich sehr interessant.
Um Figuren und Hintergründe animieren zu können, muß man vorher alles in beweglichen Einzelteilen anlegen – was ja auch eine Art Collage ist.
Kompliment zu deinem Slogan ” Eau de Collage”! Wie reagieren Kunden und Netzwerk auf diese witzige Namens-Idee?
Name und Logo kommen meistens sehr gut an, was mich immer wieder freut, weil ich mir damals viel Zeit für die Entwicklung von meinem neuen Erscheinungsbild genommen habe. Ich finde immer noch, daß es mich und meine Arbeit gut repräsentiert. Als echt kölsches Mädchen neige ich wie die meisten Domstadtbewohner zum Lokalpatriotismus; die Anspielung auf unser berühmtes Duftwasser mußte einfach sein!
Ein Hauptelement im Logo ist ja der gefaltete Papiervogel,genauer gesagt die Origami-Friedenstaube, die für die Arbeit mit Papier, die Übermittlung von Botschaften und die Freiheit der Gedanken steht.
Du hast an der Academie Beeldende Kunsten Maastricht studiert. Fallen dir Unterschiede in Bildsprache & Ausdruck unterschiedlicher Nationalitäten, also z.B. niederländisch und deutsch, auf?
Die Niederländer haben ja den Ruf, ziemlich progressive Designer zu sein – und das absolut zu Recht, wie ich finde.
Daß man dort außerdem keine Angst vor Schreifarben hat, hilft ebenfalls. Im Allgemeinen herrscht imVergleich zu Deutschland ein kollektives Bewußtsein für Sinn und Nutzen guter Gestaltung, was wiederum dazu führt, daß Designer und Künstler einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert haben als bei uns.
Was Unterschiede in Bildsprache und Ausdruck betrifft, habe ich den Eindruck, daß in den Niederlanden Illustration nicht nur häufiger und mutiger eingesetzt wird, sondern auch wilder und bunter sein darf. Experimente sind durchaus erwünscht, weil eine Art Grundvertrauen in die Fähigkeiten von Designern existiert.
Wie sehr wir uns von unseren Nachbarn unterscheiden, zeigt auch folgende Geschichte: nach 2 Jahren Studium in Maastricht durfte ich für ein Gastsemester an eine deutsche Hochschule. Den niederländischen Dozenten war ich bis dahin immer zu brav, zu strukturiert und zu festgefahren gewesen – kurz: man langweilte sich mit mir zu Tode. Die deutschen Professoren dagegen waren entsetzt über meinen unbedarften Umgang mit Typografie und meinen inflationären Gebrauch der Farbe Orange. Dieses Beispiel macht deutlich, daß es im Bezug auf Gestaltung keine absolute Wahrheit, sondern nur Wahrnehmungen gibt, die unter anderem kulturell bedingt sind – und die man jeweils auch plausibel begründen kann.
Ich finde es trotzdem wirklich schade, daß man Deutschland oft schon als Student dazu angehalten wird, sehr perfektionistisch und dadurch eher ängstlich an Projekte heranzugehen, obwohl viele reale Kunden eigentlich auch ungewöhnlicheren Lösungen gegenüber aufgeschlossen sind. Die Niederländer dagegen schießen für meinen Geschmack allerdings manchmal über das Ziel hinaus. Ich bin auf jeden Fall immer wieder auf der Suche nach der goldenen Mitte.
Arbeitest du auch für internationale Kunden, z.B. aus den Niederlanden?
Ich habe mal eine Stoffmuster-Kollektion für eine kleine niederländische Firma entworfen und ein Plattencover für ein Label aus England gestaltet. Eigentlich würde ich gerne öfter für internationale Kunden arbeiten, aber die Akquise ist ohne Repräsentanz im jeweiligen Land leider ziemlich mühsam. Vor 6 Jahren hatte ich einen ganz vielversprechenden Kontakt zu einer Agentin in den USA; letztendlich kamen wir dann aus allen möglichen Gründen doch nicht zusammen.
In welcher Form bist du aktiv, um Kunden zu akquirieren?
Etwa alle 4-6 Monate verschicke ich ein aktuelles Portfolio-PDF und eine nette, persönliche Mail an meine Kunden und Kontakte. Damit es bei aller Virtualität auch mal haptisch was zu erleben gibt, lasse ich von Zeit zu Zeit Plakate, Kalender oder Postkarten drucken, die ich dann zu besonderen Anlässen verschicke.
Abgesehen davon gibt es ja inzwischen sehr viele Online-Plattformen, auf denen man Netzwerke bilden und Portfolios veröffentlichen kann.
Abgesehen davon gibt es ja inzwischen sehr viele Online-Plattformen, auf denen man Netzwerke bilden und Portfolios veröffentlichen kann.
Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, daß der direkte Weg über ein Telefonat, einen Portfolio-Termin, eine Publikation oder auch ein PDF an den richtigen Ansprechpartner viel effektiver ist.
Ich habe gelesen, dass du eine zeitlang in einer Atelier-WG tätig warst. Wie genau sah das aus und wie bzw. wo arbeitest du heute?
Mit Anfang 20 habe ich in einer WG in einem sehr charmanten, aber auch echt schrammeligen Altbau gewohnt, wo dementsprechend viel improvisiert werden mußte. Eine meiner Mitbewohnerinnen war Schreinerin und Produktdesignerin und ihre handwerklichen Fähigkeiten waren wirklich Gold wert…so kamen wir zum Beispiel zu maßgefertigten Küchenregalen und anderen praktischen Konstruktionen.
Meine zweite Mitbewohnerin konnte nicht nur bei der Wohnungsgestaltung richtig gut anpacken, sondern stellte auch mit einer Engelsgeduld filigrane Schmuckstücke aus gehäkeltem Draht und winzigkleinen Perlen her. In dieser Atmosphäre entstand der Name WG-ATELIER eher zufällig und gefiel mir so gut, daß ich ihn 2006 beim Start in die Freiberuflichkeit für mein erstes eigenes Erscheinungsbild verwendet habe.
Aber 2011 wurde es wieder einmal Zeit für eine Veränderung, seitdem gibt es EAUDECOLLAGE.
Anfang dieses Jahres habe ich zusammen mit dem Filmmusikkomponisten MAX WÜRDEN neue Arbeitsräume im rustikalen Köln-Nippes bezogen. Dieses Domizil kommt der oben beschriebenen WG-ATELIER-Wohnung schon sehr nah – gerade was Renovierungsbedarf und provisorische Lösungen angeht.
Denn wer hat schon einen Basteltisch, der vor einem Fliesenspiegel mit dazugehörigen Wasserhähnen steht, die man natürlich auf gar keinen Fall aufdrehen darf? Knip & plak in der Gefahrenzone! Großartig!
Woran arbeitest du im Augenblick?
Neben den laufenden Aufträgen für Magazine und Zeitungen habe ich vor kurzem endlich auch meine eigene kleine Notizbuch-Linie entworfen und drucken lassen. Bisher gibt es Wochenplaner, Reisetagebücher und Notizhefte – und ich bin in jeder freien Minute dabei, das Sortiment zu erweitern und noch mehr schöne Produkte aus Papier zu gestalten.
Genau wie die neuen Notizbücher sind auch Drucke und Shirts mit meinen Illustrationen in verschiedenen Onlineshops erhältlich, was natürlich jede Menge zusätzliche Arbeit macht, aber auch unheimlich viel Spaß bringt. Die Rückmeldungen mancher Kunden sind einfach grandios! Und es kann sehr meditativ sein, Bestellungen zu bearbeiten und Päckchen zu verpacken.
Der Umgang mit Schreibwaren und Büroartikeln hat für mich sowieso etwas unglaublich beruhigendes, weil all diese kleinen Dinge das Gefühl vermitteln, daß es für jedes Problem eine Lösung gibt – oder zumindest einen farblich passenden Textmarker.
Danke dir für das Interview, Finna!
Finna Leibenguths IO-Portfolio
Alle Bilder zum Interview: Finna Leibenguth
Das Interview führte Anne Quadflieg für die Illustratoren Organisation e.V.