Zeitenwende? Nach zwei Jahren steht die EU-Urheberrechtsrichtlinie vor der Umsetzung in nationales Recht

i
© Sebastian Linder / GEMA

Zeitenwende? Nach zwei Jahren steht die EU-Urheberrechtsrichtlinie vor der Umsetzung in nationales Recht

26.05.2021 | 2021 | IO und Partner | IO-News | Recht und Politik

Dystopische Weltuntergangsszenarios wurden ausgemalt, als in den Jahren 2018 und 2019 um ein neues Urheberrecht für Europa gerungen wurde. Dieses zu aktualisieren war nach zwei Dekaden des Stillstands überfällig, denn die digitale Welt hatte sich rasant weiterentwickelt – und sicher nicht zugunsten der schöpferisch Tätigen. Doch während deren Verbände sich über den digitalspezifischen Value Gap beschwerten, führte die Netzpolitik unter Führung der Piratenabgeordneten Julia Reda Sorgen um Zensur und Überwachung ins Feld und mobilisierte damit gerade in Deutschland erheblichen Widerstand.

Im April 2019 stimmte, nach dem EU-Parlament, der Europarat der Richtlinie zu. Die Bundesregierung tat dies unter Abgabe einer Protokollerklärung, in der sowohl das Bekenntnis zur beabsichtigten Stärkung der Position der Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen formuliert war, als auch die Absicht, Regelungen die zur Notwendigkeit des Einsatzes von „Uploadfiltern“ führen könnten, so weit wie möglich zu minimieren …: die „Quadratur des Kreises“, wie deutsche Jurist*innen in den darauf folgenden Monaten anmerkten. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Vorstellung von Plattformen ohne automatisierte algorithmische Inhalteerkennungssysteme schon in der Digitalwelt vor Umsetzung der Richtlinie eine Illusion war.

Nun muss die Richtlinie bis zum 7. Juni in deutsches Recht umgesetzt sein. Und erneut gibt es emotionale Aufwallungen – doch tendenziell unter anderen Vorzeichen und mit anders verteilten Rollen.

Vor dem Blick auf die Lage der Nation ein kurzer Blick auf Europa: Es gab in keinem anderen Land vergleichbare Proteste. Das zu erklären, wird eine spannende Aufgabe für die Zeit nach der Umsetzung sein. Festhalten lässt sich, dass die Rechtsstandards in den EU-Ländern zuvor sehr unterschiedlich waren und dass durch die Richtlinie alle Mitgliedsstaaten einen einheitlichen Anspruch auf angemessene und verhältnismäßige Vergütung einführen: ein epochaler Schritt für einen ganzen Kontinent, der mangels Rohstoffen auf Innovationen angewiesen ist. Dementsprechend ist die internationale Aufmerksamkeit erwartungsvoll und hoch. Zuverlässigen Quellen zufolge ist die Erwartung der EU-Kommission an die deutsche Umsetzung ebenfalls hoch, weshalb die Umsetzungsrichtlinien zum umkämpften Artikel 17 auf sich warten lassen.

Damit sind wir beim deutschen Gesetzgebungsprozess. Inzwischen liegt nach mehreren Diskussions- und Referentenentwürfen und unendlichen Mengen diesbezüglicher Stellungnahmen ein Regierungsentwurf vor, um den zurzeit im Bundestag gerungen wird und dem nach der Parlamentsbefassung noch der Bundesrat zustimmen muss. Aus Urhebersicht gibt es durchaus Licht und Schatten, doch die in der Protokollerklärung der Bundesregierung eingeschlagene Richtung der beherzten Stärkung der in der Asymmetrie des Markts strukturell unterlegenen Urheber:innen in Verbindung mit der Minimierung möglicher Eingriffe in Freiheitsrechte wird erkennbar und durchaus konsequent verfolgt. Da ist es wenig erstaunlich, dass niemand wirklich euphorisch ist, denn die weitreichenden Kompromisse sind für alle Beteiligten schmerzlich. Zugleich ist festzustellen, dass sich die Fronten verschieben: Standen im Kampf um die europäische Entscheidung Urheber*innen und ihre verwertenden Partner*innen tendenziell gemeinsam auf der Yes2Copyright!-Seite, lässt sich derzeit eine Spaltung zwischen Urheber*innen und Verwerter*innen schwer übersehen. Ausgerechnet auf Verwerterseite sind pauschale, emotionale und teilweise hochgradig irrationale Bestandsaufnahmen und Argumente zu verzeichnen, verbunden mit offensichtlich erheblichen Kommunikationsbudgets. Da sich aber gleichzeitig die Zeitfenster der Legislatur wie auch der Umsetzungsfrist schließen, kann man eigentlich nur eines sagen: Es bleibt spannend, aber die Hoffnung auf Verbesserungen bleibt.

Matthias Hornschuh, Komponist, Mitglied im Aufsichtsrat der GEMA, Vorsitzender mediamusic e.V. | berufsverband medienmusik