Ist das ein Pastiche oder kann das weg?

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© 2021 Alexey Testov

Ist das ein Pastiche oder kann das weg?

25.01.2023 | IO-News | Recht und Politik

Was ist ein Pastiche? Das dürfte die Frage sein, die Urheberrechtler*innen seit dem Inkrafttreten des neuen § 51a UrhG beschäftigt. Die Rechtsregelung soll Nutzer*innen ermöglichen, fremde Inhalte unter bestimmten Bedingungen rechtssicher zu verwenden und sich so kreativ auszudrücken. Was dies genau heißt, bleibt zu klären. Das Gesetz hilft uns an dieser Stelle wieder einmal herzlich wenig, da der Pastiche vom Gesetzgeber nicht definiert wurde:

§ 51a Karikatur, Parodie und Pastiche
Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist. 

Was bedeutet das für Illustrator*innen? Die Verwendung einer fremden Kreativschöpfung mit Berufung auf Pastiche kann durchaus dramatische Folgen haben. So würde die Anwendbarkeit des neuen § 51a UrhG auf die Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Werkes dazu führen, dass ein urheberrechtliches Nutzungsrecht nicht erforderlich ist und insbesondere Illustrator*innen nicht mehr gefragt werden müssen, ob ihre Werke genutzt werden dürfen oder nicht.

Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist noch dünn. In der Gesetzesbegründung lesen wir hauptsächlich von zwei Merkmalen, an denen man künftig wohl festmachen wird, ob ein Pastiche vorliegt oder nicht:

„In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat müssen Parodien, Karikaturen und Pastiches wahrnehmbare Unterschiede zum Originalwerk aufweisen (BT-Drs. 19/27426, 90′ LG Berlin, 02 11.2021, 15 0 551/19; OLG Hamburg, 28 04 2022, 5 U 48/05).
[…] 
Anders als bei der Parodie und der Karikatur, die eine humoristische oder verspottende Komponente erfordern, kann die Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Werk beim Pastiche auch einen Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage. In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat muss das ursprüngliche Werk derart benutzt werden. dass es in einer veränderten Form erscheint.“

Wann der Abstand zum oder die Auseinandersetzung mit dem Originalwerk ausreichend sind, wird die Rechtsprechung anhand vielfacher Einzelklagen seitens der Urheber*innen zeigen müssen. Diese hat beispielsweise in Form der Entscheidung des Landgerichts München I vom 20.6.2022 (42 S 231/21) festgestellt, dass die Einbindung eines im Wesentlichen unbearbeiteten Fotos in ein grafisches Layout und das Versehen mit der Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ nicht ausreicht, um ein Pastiche darzustellen.

Das Landgericht Berlin hingegen hat im Urteil vom 02.11.2021 (15 O 551/19) entschieden, dass die Übernahme einer weitestgehend unbearbeiteten Grafik in ein Ölgemälde auch ohne hinreichenden Abstand ein Pastiche und damit gestattungsfrei ist, wenn eine ausreichende künstlerische Befassung mit dem Ausgangswerk erkennbar ist.
Ausgangswerk
Geschaffenes Werk
Der Spielraum zwischen diesen beiden Entscheidungen ist riesig, und wie so oft im Urheberrecht werden nun Jurist*innen Begriffe wie „künstlerische Befassung“ mit Leben füllen müssen. Bis dahin kann Illustrator*innen dringend empfohlen werden, bei der Nutzung von bestehenden Werken möglichst viel Wert auf einen hohen Anteil eigener Kreation und damit einen möglichst großen Abstand zum Ausgangswerk zu legen. Kreativschaffenden, die ihre Urheberrechte unter dem Deckmantel „Pastiche“ verletzt sehen, bleibt nur der Rechtsweg. Erst basierend auf den daraus resultierenden Gerichtsurteilen wird der Begriff im Laufe der Zeit geschärft und rechtssicher anwendbar werden.

 

Sebastian Deubelli

Der Autor Sebastian Deubelli ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und bekannt durch sein Fachblog rights-managed und/oder seinen ebenso beliebten Podcast kreativ[ge]recht, in dem er Kreativschaffenden wertvollen Rat für den Umgang mit Rechtsfragen in ihrem beruflichen Alltag erteilt.