Interview mit Quint Buchholz

i
© Heike Haas

Interview mit Quint Buchholz

20.01.2022 | 2022 | Interview | IO-News | Rund um Illustration

Quint Buchholz ist Maler und Illustrator – sein wohl bekanntestes Werk ist die Titelillustration des Bestsellers „Sophies Welt“. Vorstandsmitglied Heike Haas hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.

Um zunächst alle mitzunehmen, die dich vielleicht nicht kennen, hier die erste Frage: Was machst du genau beruflich und womit verdienst du deine Brötchen?

Seit inzwischen ziemlich vielen Jahren bin ich Maler und Illustrator. Zur einen Hälfte mache ich Ausstellungen und verkaufe Bilder und Drucke, zur anderen Hälfte gestalte ich Bücher, manchmal auch andere Sachen. Ich habe v. a. im Hanser Verlag, aber auch in vielen anderen Verlagen so einiges an Büchern und Texten von anderen Autor*innen illustriert, aber auch meine eigenen Texte. Wenn ich beschreiben will, was ich mache, kann ich auf den Buchumschlag von „Sophies Welt“ von Jostein Gaarder verweisen. Das ist sicher das meistgedruckte Bild von mir, denn das Buch ist nicht nur hier in Deutschland in sehr hoher Auflage erschienen.

Was machst du am liebsten? Was ist deine Herzenssache?

Das verlagert sich ein bisschen. Als ich anfing, habe ich einfach Bilder gemalt, später habe ich mit der Illustration begonnen und kam mit der Zeit zu immer interessanteren Aufträgen. Da hatte ich dann auch Platz mit meiner Art zu malen und musste nicht irgendetwas anderes machen. Das war sehr wichtig für mich. Durch die Illustrationsaufträge habe ich aber auch viel Neues entdeckt: andere Themen, Autor*innen, Verlage. Da ist eine ganze Welt für mich aufgegangen, was ich wunderschön fand. Aber mit der Zeit wurde der Reibungsverlust bei den Illustrationen immer größer im Vergleich zur Arbeit an ganz eigenen Bildern.

Was meinst du mit Reibungsverlust?

Ich habe immer versucht, meine Illustrationen auch als meine Bilder zu malen. Ich wollte immer, dass die Bilder auch eigenständig für sich funktionieren. Das war nicht immer ganz konsequent durchzuhalten. Aber weitgehend schon. Ich habe versucht, so lange an einem Bild herumzudenken, bis ich sagen konnte: Das ist mein Bild. Das könnte ich auch einfach so an die Wand hängen. Dass es meine Ausdrucksweise ist, in der ich mich nicht irgendwohin verbiegen muss. Diese Freiheit zu finden ist für mich immer mühsamer geworden.

Welche Hilfe hättest du dir gewünscht, als du damals angefangen hast?

Ich hatte schon ganz gute Hilfe. Ich hätte gerne – das ist bis heute so – in jedem Verlag eine Lektorin oder einen Lektor, die mit Bildern kompetent umgehen. So was wie einen Art Director. Die „Bildbegleitung“ machen fast immer die Lektor*innen mit, die ja meistens von der Sprache her kommen. Das ist nicht immer ideal. In meinen Anfängen bei Sauerländer hatte ich Rolf Inhauser, der auch ein großer Bildermensch war. Er hat mir viel gezeigt und auch viel gefordert. Das brauchen wir Illustrator*innen eigentlich. Eine Art Coach oder Trainerin, die sagen: „Das kannst du besser“ oder „Vielleicht fällt dir da noch was Interessanteres ein“.
Ich hatte aber auch ein paar ältere Kolleg*innen, die mir Tipps gegeben haben und mich mal irgendwohin mitgenommen haben. Als ich das erste Mal auf der Buchmesse war, hat Rotraut Susanne Berner, die damals schon ziemlich bekannt war, mich gleich zu einem Illustratorenfrühstück mitgenommen. Sie war einfach großzügig mit ihren Kontakten und dem, was sie wusste und selbstverständlich teilte. Das fand ich eine sehr angenehme Art, miteinander umzugehen, die in der Illustrationsszene weit verbreitet war. Und ich selbst versuche, das auch immer zu machen: alles herzugeben, was ich weiß.

Die_Waechter_©_Quint_Buchholz
© Quint Buchholz ``Die Wächter``

Was sind die wesentlichen Voraussetzungen, um sich als Illustrator*in im Buchmarkt durchzusetzen? Plädierst du dabei für einen oder mehrere Stile, die man anbieten sollte?

Ich habe wenige Kolleg*innen kennengelernt, die mehrere Stile hatten und damit auf Dauer wirklich gut gefahren sind. Man sollte aber auch nicht unbedingt und zwanghaft nach einem Markenzeichen suchen. Man muss arbeiten an eben diesem „Was bin ich?“ und „Was treibt mich um?“ und natürlich auch an dem „Was macht mir Spaß?“. Wenn man beim Suchen und Ausprobieren versucht, möglichst wahrhaftig zu sein, findet sich der eigene Ausdruck mit der Zeit von ganz alleine. Die richtig guten Kolleg*innen, die mir einfallen, machen zwar nicht immer das Gleiche, aber sie haben einen Grundton, den man sofort erkennt.

Was hat sich in der Buchbranche in den letzten Jahren für Illustrator*innen verändert?

Das schnelle Kommen und Gehen von Titeln hat ein Tempo angenommen , das für Verlage und Autor*innen und Buchhändler*innen ein Elend ist. Kaum noch ein Buch hat genug Zeit, um Wirkung zu entfalten. Ich habe neulich gelesen, dass in London ein Buch 19 Tage Zeit hat, um sich in den Buchhandlungen durchzusetzen. Wenn es dann keine nennenswerte Reaktion beim Verkauf und in der Presse gibt, verschwindet es wieder von den Büchertischen. Aber so eine Frist für ein Buch ist ein Witz! Wenn der Verlag nicht beschlossen hat, dass dein neues Buch zu den Spitzentiteln gehört, dann kann es eben ganz schnell verhungern. Nicht, weil das Buch schlecht oder langweilig ist – es liegt einfach an den Marktmechanismen.

Im deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuch gibt es jetzt knapp 9000 Neuerscheinungen im Jahr. Als ich anfing, waren es etwa 3000 Titel. Aber der Gesamtumsatz in diesem Segment hat sich nicht nennenswert verändert. Dreimal so viele Bücher teilen sich jetzt denselben Umsatz. Weniger Einnahmen bedeuten aber auch, weniger Zeit und Ruhe für das nächste Projekt zu haben. Was ich da sehe, ist nicht besonders ermutigend.

Was würdest du einem*r Neuanfänger*in oder einem*r Quereinsteiger*in für den Anfang empfehlen?

Das A und O ist natürlich, Sichtbarkeit zu finden. Meiner Meinung nach gehen viele junge Leute auch zu früh raus und überschätzen oft die schon erreichte Qualität der eigenen Arbeiten. Auch ist es wichtig, Leuten, die sich besser auskennen, zuzuhören. Sich daran zu reiben und von mir aus auch darüber zu ärgern. Man hört ja am liebsten, dass alles genial ist, was man macht. Aber das ist es eben oft nicht. Man braucht viel Zeit, um sich auszuprobieren.
Die schwierige Frage, wie man überhaupt Kontakt zu einem Verlag bekommt, kann ich auch nicht eindeutig beantworten. Die Buchmessen in Frankfurt und Bologna können ein guter erster Anknüpfungspunkt sein. Ich glaube weniger daran, ein Buchprojekt unaufgefordert an einen Verlag zu schicken. Die Verlage bekommen so viele Manuskripte zugeschickt, haben aber gar nicht die Kapazitäten, um sich das alles wirklich in Ruhe anzuschauen. Es gibt dort niemanden, der jeden Tag 30 auf Verdacht zugeschickte Manuskripte sichten kann.

Ist es möglich, von heute auf morgen von der Illustration zu leben?

Na ja, nur dann eben, wenn man ein Projekt hat, das sich aus dem Stand heraus sensationell gut verkauft. Aber so ein Megabestseller ist ja eher unwahrscheinlich.

Ich erinnere mich an Hans de Beer mit seinem ersten Buch vom kleinen Eisbären. Der war in Bologna auf der Messe und hatte am Ende 10, 12 oder noch mehr Verlage aus verschiedenen Ländern, die alle gesagt haben: „Ja, das wollen wir machen.“ Aber das ist eben die große Ausnahme. Was vielleicht auch ganz gut ist. Für die Persönlichkeitsentwicklung ist so ein rascher, früher Erfolg nicht unbedingt der Idealfall.

Bei mir ging es langsamer, Schritt für Schritt. Als nach „Sofies Welt“, „Schlaf gut, kleiner Bär“ und anderem dann die sehr erfolgreichen Bücher mit Elke Heidenreich kamen, hatte ich bereits ziemlich viele Jahre hinter mir, in denen es nicht so glatt gelaufen war. Bei aller Freude über diesen großen Erfolg wusste ich sehr wohl, dass es andere Zeiten gegeben hatte und auch wieder geben würde.

Warum bist du Mitglied in der IO? Du kannst das ganz ehrlich sagen. Weißt du denn noch, warum du Mitglied in der IO bist?

Ich bin in der IO, weil ich sie gerne gehabt hätte, als ich angefangen habe. Die IO ist wichtig wegen der Infos, des Netzwerkens. Damit man sich nicht ganz alleine durchkämpfen muss. Gerade neulich habe ich gesehen, dass die IO eine große Abhandlung anbietet zum Thema Stressbewältigung in diesem Beruf. Als die IO sich gegründet hat, liefen meine Sachen ja schon und ich habe lange gedacht, ich brauche diese Mitgliedschaft jetzt nicht mehr. Ich glaube aber, dass wir im Sinne einer Gewerkschaft eine gemeinsame Organisation brauchen, weil wir alle Einzelkämpfer*innen sind. So eine Organisation kann mit einer vernehmbareren Stimme sprechen und hat ein anderes Gewicht. Darum bin ich dann vor einigen Jahren doch Mitglied geworden.

Lieber Quint, wir danke dir ganz herzlich für das interessante Gespräch.