Buchtipp „Warum Ziele Quatsch sind“ von Stefan Frädrich

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©2023 Christian Schlierkamp

Buchtipp „Warum Ziele Quatsch sind“ von Stefan Frädrich

25.01.2023 | 2022 | IO-News | Personen und Meinungen | Rund um Illustration

Na, verfolgst du noch die Ziele, die du dir als Neujahrsvorsätze gefasst hast?
Wenn Du noch dran bist, während du diese Zeilen in der zweiten Januarhälfte liest, meinen herzlichen Glückwunsch! Laut der Website Statista geben 36 % Prozent ihre Vorsätze bereits nach einem Tag bis maximal einem Monat wieder auf. Wenn du nicht mehr dabei bist: auch nicht schlimm! Denn, so Dr. Stefan Frädrich in seinem Buch „Warum Ziele Quatsch sind“: Meistens ist „der Weg nicht das Ziel, sondern das Ziel im Weg“.

Eine ganz schöne Ansage in einer Welt, die regiert wird von Absatzzahlen, Milestones und ständigem Wachstum. Wie, jetze? Keine Ziele? Soll ich meinen Businessplan etwa verbrennen? Vielleicht … Doch dazu später. So mancher wird beim Lesen des Titels bereits die Luft scharf eingesogen haben, aber keine Panik: Bei der Subline heißt es entspannt seufzend wieder ausatmen: „… und wie wir sie trotzdem erreichen“. Also doch Ziele! Nein, aber doch … nur anders.

Auf 285 Seiten nimmt uns Stefan Frädrich, unter anderem Gründer des Formats „Gedankentanken“ (heute: „Greator“), mit auf eine Reise, die sich erfreulich abhebt von dem Gros der Literatur im Bereich „Persönlichkeitsentwicklung“. Ein Begriff, von dem er sich auch schnell verabschiedet. Laut Stefan Frädrich geht es vielmehr um Persönlichkeitsentdeckung als um ständige Selbstoptimierung, die wir durch Ziele zu erreichen versuchen. Eine herrlich entspannte Haltung, die sich durch das ganze Buch zieht und Lust auf mehr macht.

Überhaupt spricht der Doktor leicht verständlich und äußerst unterhaltsam über gleichwohl tiefschürfende Dinge und bedient sich dabei (ein Traum für alle Graphic Recorder unter uns) einer wundervoll bildreichen und mit starken Metaphern angereicherten Sprache. Zum Beispiel nimmt er das Bild des Kompass und erweitert es: Stell dir einen Kompass mit drei Nadeln vor. Eine steht für den Sinn, deine innere Ausrichtung, die zweite für den Prozess, also den Weg, auf dem du dich befindest und die dritte, das sind die Ziele, die wir uns ständig setzen.
Erst wenn diese drei Kompassnadeln in eine Richtung weisen, sind wir im Flow. Die drei Nadeln stehen dabei zueinander in Beziehung. Stell dir vor, deine Ziele sind wie ein kleiner Hund, ein Mops oder Ähnliches, dieser Hund ist mit einer Leine am Halsband eines größeren Hundes, mittelgroß bis groß, Marke Labrador, Schäferhund und Konsorten, befestigt, dessen Leine in der Hand von Herrchen (= dem Sinn) ruht. Wer meinst du ist dafür verantwortlich und in der Lage, die drei wieder nach Hause zu führen?

Es geht also um die Kraft der inneren Ausrichtung, die uns ins Handeln versetzt. Frädrich unterscheidet hierbei verschiedene Zustände: Chaos (wenn alle drei Kompassnadeln in unterschiedliche Richtungen weisen), Krise (Weg und Ziel zeigen in eine Richtung, doch durch äußere oder innere Umstände weist der Sinn auf einmal in eine andere Richtung), Ablenkung (Sinn und Weg sind klar, aber wir lassen uns ständig von lauter kleinen, interessanten Zielen abbringen) und dem oben beschriebenem Flow-Zustand. Ähnlich einleuchtend geht Stefan Frädrich des Weiteren auf verschiedene Persönlichkeitstypen, den Umgang mit Traumata und Krisen sowie den Aufbau von besseren Routinen und Handlungsweisen ein.

Spannend ist ein Kapitel über seine Reise in die Welt der Psychedelika, in dem er über seine therapeutisch begleiteten Erfahrungen mit MDMA (okay, keine psychedelische Substanz) und Ayahuasca berichtet und auch darauf eingeht, für wen, wann und warum derartige Erfahrungen hilfreich und wann eher nicht sein können.

Und wie war das jetzt mit den Businessplänen? Ein Businessplan macht demnach eben nur dann Sinn, wenn du dir im Klaren darüber bist, was du erreichen willst und warum, du also deinen inneren Kern, deinen Sinn, das, wozu du gemeint bist, kennst. Aber Vorsicht: „Der Mensch plant und Gott lacht“ (jüdisches Sprichwort). Häufig kommt es ja dann doch anders als man denkt und plant.

Dieses Buch ist endlich einmal ein wirklich wertvoller Ratgeber im Dschungel der häufig doch recht schwurbelig-esoterisch vor sich hinmystelnden Persönlichkeitsentwicklungsliteratur und sei all jenen ans Herz gelegt, denen es um wirkliche Transformation und auf ganz geerdete Weise um das berühmt-berüchtigte „Warum“ geht.

Meine Leseempfehlung für Januar, und besonders dann, wenn die Neujahrsvorsätze langsam am Leben zerbröseln und wir uns, auf uns selbst zurückgeworfen, fragen, was wirklich zählt im Leben, was uns wirklich wichtig ist und was uns weiterbringt. Ein gutes Buch zum Auftakt des Jahres.

 

Christian Schlierkamp
Vorstandsmitglied der Illustratoren Organisation e.V.